Sonntag, 8. Mai 2016

Gemeinschaft

Letzten Mittwoch haben wir einen Workshop gehalten zum Thema Business. Wir haben unser eigenes imaginäres Nähbusiness eröffnet und es auf den Namen 'Royal Creations' getauft. Den Frauen hat es viel Spaß gemacht, sich zu überlegen welche Kosten die Produkte verursachen, wie viel Profit wir verlangen könnten, wo der ideale Standort innerhalb Jodhpurs wäre und wie wir uns von ähnlichen Geschäften abheben könnten. Als unser Shop immer größer wurde, haben wir natürlich auch eine Angestellte gebraucht. Also habe ich spontan die Shopbesitzerin gespielt und drei der Center Frauen zu einem Jobinterview eingeladen. Natürlich hat Divya (die Hindilehrerin) dabei übersetzt, da das Ganze auf English für die meisten von ihnen viel zu schwer gewesen wäre.
Den Frauen hat es auf jeden Fall viel Spaß gemacht aber leider waren an diesem Tag nur etwa 10 von ihnen da.
Also haben meine Mitfreiwilligen und ich beschlossen, den gleichen Workshop mit den restlichen Frauen am darauffolgenden Tag noch einmal zu machen.
Doch soweit sollte es nicht kommen....
Als wir Donnerstag Morgen in das Center kamen, standen alle Frauen im Kreis um eine der Schülerinnen und haben alle durcheinander und aufeinander eingeredet. Wir haben natürlich erstmal gar nicht verstanden was los war.
Doch nach und nach haben wir dann Informationen bekommen - leider überhaupt keine erfreulichen.
Eine unserer Schülerinnen, die jeden Tag zusammen mit ihrer Schwester ins Center kommt, wurde am Abend zuvor von ihrem Ehemann verschlagen. Sie hat uns ihre großen, schmerzhaft aussehenden blauen Flecken gezeigt. Der am Oberarm hatte bestimmt einen Durchmesser von 10 cm. Sie hat uns auch erzählt dass sie noch weitere am Oberkörper versteckt unter der Kleidung hat. Ich habe ihr dann eine Creme gegeben, die ich noch aus Deutschland dabei hatte und die bei Prellungen, etc. helfen soll.
An den Workshop hat dann natürlich keiner mehr gedacht. Stattdessen haben wir uns alle zusammen in einen Kreis gesetzt und geredet:
Die verschlagene Schülerin ist schon seit etwa 14 Jahren verheiratet und hat auch 2 Kinder. Sie meinte ihr Mann war schon immer aggressiv und sie muss immer sehr vorsichtig sein was sie in seiner Gegenwart anspricht oder tut.
Nun hat sie seit einiger Zeit herausgefunden, dass ihr Ehemann eine Affäre mit einer anderen Frau hat. Als er an besagtem Abend spät heim kam, hat sie all ihren Mut zusammengenommen und ihn gefragt wo er war. Daraufhin ist er explodiert, meinte sie habe kein Recht das zu fragen und hat sie mit der Hand und wohl auch mit einem Gürtel verschlagen.
Nachdem sie uns und auch der Frau, die für die Sambhali SOS Anlaufstelle zuständig ist, alles erzählt hatte, wurde sie dann übrigens zum Polizeirevier begleitet und am nächsten Tag auch zum Gericht. Ihr Mann wurde für einen Tag in das örtliche Gefängnis gesteckt und es wurde ihm mehrmals erzählt, dass sollte so etwas wieder vorfallen, er sich auf einen längeren Gefängnisaufenthalt einstellen kann. Wie genau das Rechtssystem hier in Indien in solchen Fällen abläuft, ist mir auch nicht ganz klar, aber es hat mich schon sehr überrascht, das dass Alles innerhalb von zwei Tagen über die Bühne war. Nun hoffe ich einfach, dass das Ganze seine Wirkung nicht verfehlt und der Ehemann unsere Schülerin nun wirklich in Ruhe lässt.

Ich muss sagen, so sehr mich das Ganze natürlich schockiert hat, so ist dies doch nicht der Grund warum ich das hier nun erzähle. Es war mir schon zuvor klar, dass so etwas hier passiert und sie ist auch nicht die erste Frau aus unserem Center die uns Ähnliches berichtet hat. Natürlich war ich zutiefst erschüttert und habe mich hilflos gefühlt, doch es geht mir nicht darum, ihre Geschichte aufzuschreiben und die Leser meines Blogs zu schockieren.
Ich berichte hiervon weil mich die Gemeinschaft und Hilfsbereitschaft unter unseren Frauen im Center so berührt hat. Während wir mit unseren Frauen im Kreis saßen, haben ihr alle Mut zugesprochen zur Polizei zu gehen und Anklage zu erstatten. Eine andere Schülerin (der Ähnliches passiert ist und die mittlerweile mit ihrer Tochter zurück zu ihren Eltern gezogen ist und jetzt in Scheidung lebt) hat sich zu ihr gesetzt und ihr zugesprochen, das Ganze nicht einfach zu dulden.
Vor allem die selbstbewussteren Schülerinnen aus unserem Center haben ihr gut zugesprochen und mehrfach wiederholt, dass er damit nicht durchkommen darf.
Worauf ich hinaus will ist: Ohne die Gemeinschaft der anderen Sambhali Frauen, hätte die betroffenen Schülerin vielleicht gar nicht erst den Mut aufgebracht etwas gegen ihren Mann zu tun. Und wäre sie keine Sambhali Frau, hätte sie vielleicht auch gar nicht erst gewusst, dass sie die Möglichkeiten hat Anzeige zu erstatten. Denn leider sind viel zu viele Frauen hier gar nicht über ihre Rechte aufgeklärt.

Heute gab es eine kleine Ansammlung von Sambhali Schülerinnen, Mitarbeiterinnen und uns Freiwilligen. Wir hatten uns versammelt, da eine Gedenkstätte hier in Jodhpur mehr oder weniger zur Müllhalde geworden ist, und wir haben dafür demonstriert, dass dort aufgeräumt wird um den kulturellen und religiösen Ort zu erhalten.
Auf jeden Fall war auch besagte Schülerin dort, und ich bin froh dass ihre blauen Flecken schon um einiges besser geworden sind und sie selbst sagt, sie ist froh dass sie die Gewaltausübungen ihres Mannes nicht einfach widerspruchslos geduldet hat.

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